Quadpack News

31/10/2023

Aus alt mach neu: geschlossener PCR-Kreislauf für ein zweites Leben

Könnten Post-Consumer-Rezyklate die Lösung gegen die Berge aus Plastikmüll sein, unter denen die Erde zu ersticken droht?

 Oriol Aran, Head of Product Engineering von Quadpack, geht der Frage auf den Grund.

Nach Angaben der Vereinten Nationen werden pro Jahr weltweit ungefähr 400 Millionen Tonnen Plastikabfälle generiert, von denen rund ein Drittel durch Verpackungen aus Kunststoff entsteht. Ein Großteil davon gelangt in den Erdboden und verwandelt sich dort in ein Fossil, das unseren Nachfolgern vielleicht einmal Aufschluss über die jetzige Epoche geben wird. Neben großen Abfallbergen führt die Herstellung von neuen Rohstoffen auch zu schädlichen Emissionen. Aus Rücksicht auf den Planeten und zukünftige Generationen arbeiten Akteure der Industrie auf unterschiedlichen Ebenen zusammen, um den Klimawandel zu bremsen.

Ein vielzitierter Lösungsansatz ist die Wiederverwendung von Abfall als neuer Rohstoff, sprich der Einsatz von Post-Consumer-Rezyklaten (PCR). Obwohl der Einsatz von PCR im Grunde genommen eine sinnvolle Maßnahme ist, um das Abfallproblem zu entschärfen, ist der Aufbau eines geschlossenen Recyclingkreislaufs – auch im Hinblick auf die Kosmetikverpackung – mit vielen Herausforderungen verbunden. Die Entwicklung von Arbeitsprozessen zur Wertstoffrückgewinnung ist äußerst komplex und betrifft die gesamte Wertschöpfungskette: von der Verfügbarkeit des Rezyklats bis hin zur Validierung des Endprodukts.

Kurz gefasst bezeichnet PCR einen Werkstoff, der bereits durch den Materialkreislauf geführt worden ist. Als Teil eines fertigen Produkts ist er benutzt und anschließend gesammelt, aussortiert und als frischer Rohstoff in einem neuen Produkt verarbeitet worden. Eine andere wichtige Quelle für recyceltes Rohmaterial sind die sogenannten Post-Industrial-Rezyklate oder kurz PIR. Dabei handelt es sich um Kunststoffe aus Industrieabfällen, die vor dem Gebrauch durch den Endkonsumenten anfallen.

Die PCR-Wertschöpfungskette

Um PCR als effiziente Option für die Verwertung von Plastikabfällen zu etablieren, müssen sämtliche Glieder der Wertschöpfungskette funktionieren und perfekt ineinandergreifen. Dies kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag dazu leisten. Zunächst einmal müssen Marken und Verpackungsanbieter von Verbrauchsgütern ihre Produkte so konzipieren, dass sie einfach recycelt werden können. Dazu gehören ein reduzierter Materialeinsatz (weniger ist mehr), der ausschließliche Einsatz von Materialien mit etablierten oder leicht implementierbaren Recyclingströmen und – falls keine Monomaterial-Lösung möglich ist – ein Design, das ein einfaches Zerlegen des Produkts in seine Einzelteile erlaubt.

Eine weitere Voraussetzung ist die ordnungsgemäße Entsorgung der Abfälle, die größtenteils vom Wissen und Engagement der VerbraucherInnen abhängt. Hier spielen aber auch Kommunen eine wichtige Rolle, deren Aufgabe es ist, leicht zugängliche Recyclingcontainer mit klaren Anweisungen zum richtigen Sammeln des Abfalls bereitzustellen. Nur so kann die Verschmutzung von Meer und Boden verhindert und unser Ökosystem verschont werden. Denn letztendlich ernten wir, was wir säen: Wird Kunststoff in der Natur entsorgt, landet er in Form von Mikroplastik in unserer Nahrung.

Innerhalb der Recyclingströme hängt die Qualität der Rezyklate stark von der Sortier- und Trenntechnik der Aufbereitungsverfahren ab. Da kleine Objekte wie Make-up-Verpackungen in Abfallsortieranlagen derzeit nicht effizient erfasst werden können, enden sie schließlich in Müllverbrennungsanlagen oder auf Mülldeponien. Ebenso wichtig ist es, Prozesse, Ressourcen und Aktivitäten an den Sortierstationen von Recyclinganlagen besser aufeinander abzustimmen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass heutige Scanner noch nicht in der Lage sind, Kunststoffarten wie SAN, PETG, SMMA und PMMA, die in Kosmetikverpackungen breiten Einsatz finden, zu erkennen. Es ist ein Konsens darüber erforderlich, ob diese Materialarten zukünftig den Recyclingströmen zugeführt werden, oder – was wahrscheinlicher ist – die Produktion auf derzeit recycelbare Werkstoffe wie PET, PP und PE umgestellt wird. In jedem Fall gibt es noch viel zu tun, bis gewährleistet werden kann, dass das gesammelte Material tatsächlich stofflich verwertet wird.

Der nächste Schritt in der Wertschöpfungskette ist die Wiederaufbereitung von gebrauchten Kunststoffen zu wieder verarbeitungsfähigem Rohmaterial. Neben den beiden geläufigsten Aufbereitungslösungen – dem werkstofflichen (mechanischen) und rohstofflichen (chemischen) Recycling – arbeiten Forschung und Industrie an verschiedenen innovativen Recycling-Ansätzen. Beim enzymatischen Recycling zum Beispiel zersetzen Enzyme den Kunststoff in seine ursprünglichen Ausgangsstoffe, die sogenannten Monomere. Da die Materialeigenschaften des Kunststoffs erhalten bleiben, ist die Qualität des Rezyklats der von Neuware ebenbürtig und kann daher theoretisch immer wieder im Kreislauf geführt werden. Doch es gibt noch Optimierungsbedarf, bis der Prozess in großem, industriellem Maßstab wirtschaftlich tragbar betrieben werden kann.

Derzeit ist das mechanische Kunststoffrecycling das am besten etablierte Verfahren mit den niedrigsten Kosten. Hierbei werden Plastikabfälle sortenrein getrennt, gemahlen, gewaschen, getrocknet und dann zu Granulat verarbeitet, das dem Wertstoffstrom als neuwertiges Material zurückgeführt wird. Allerdings nimmt die Qualität des mechanisch recycelten Kunststoffs mit jedem Zyklus ab, weshalb er nur bis zu sieben Mal wiederaufbereitet werden kann, bevor er schließlich zur thermischen Nutzung verbrannt wird.

Das chemische Recycling seinerseits ermöglicht die Herstellung von „lebensmittelechten“ Rezyklaten, die auch für Kosmetikverpackungen vorgeschrieben sind, wenn sie direkt mit dem Inhalt in Kontakt kommen. Organisationen wie die ISCC (International Sustainability & Carbon Certification) zertifizieren die Einhaltung der Nachhaltigkeitsanforderungen für Rohstoffe entlang der gesamten Lieferkette und sind damit ein wichtiges Mittel im Kampf gegen Greenwashing.

In den letzten Schritten geht es schließlich darum, das Rezyklat tatsächlich zur Herstellung neuer Produkte einzusetzen und diese letztendlich zu verkaufen. Denn nur, wenn Verpackungslösungen aus PCR von Konsumgütermarken erworben und deren Endprodukte dann vom Verbraucher gekauft werden, schließt sich der Kreislauf. Hierfür ist ein Umdenken von Marken wie auch Endverbrauchern dringend notwendig, besonders im Luxusmarkt, wo hohe Ansprüche an die Ästhetik des Produkts gestellt werden. Die kleinen Schönheitsfehler, die beim Recycling des Kunststoffs entstehen, sollten als Teil der Produktidentität dazu benutzt werden, um die Nachhaltigkeit der Marke und ihr verantwortungsvoller Umgang mit der Natur zu kommunizieren.

Die mit dem Recycling verbundenen Kosten setzen zudem die Bereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher voraus, einen höheren Preis für das Endprodukt zu bezahlen. In anderen Sektoren wie der Lebensmittelbranche ist diese Akzeptanz bereits sehr groß. Sicherlich wird die Kosmetikbranche schnell nachziehen, da ethisch verantwortungsvolle jüngere Generationen allmählich an Kaufkraft gewinnen.

Die Veränderung mitgestalten

Die Bekämpfung des Klimawandels betrifft nicht nur die Schönheitsindustrie und damit die Kosmetikverpackung, sondern hat sich mittlerweile zur Priorität der gesamten Industrie entwickelt. Die Agenda 2030 liefert einen klaren Fahrplan zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015. Als Ergänzung zu freiwilligen Maßnahmen werden gesetzliche Rahmenwerke zum Schutz des Klimas eingeführt. Ein Vorreiter auf diesem Gebiet ist Europa mit der EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (EU-VerpackVO), die in den nächsten zwei Jahren in Kraft treten wird. In der Zwischenzeit haben sich einige EU-Länder für die Einführung einer Steuer auf Einwegverpackung aus Kunststoff entschieden. In Spanien beispielsweise wird auf nicht recyclingfähige Kunststoffverpackungen eine Steuer in Höhe von 0,45 Euro pro Kilogramm erhoben, die vom Importeur oder Hersteller beim Inverkehrbringen auf dem spanischen Markt zu entrichten ist.

Mit einer voraussichtlich weltweiten Regulierung des Einsatzes von recyceltem Plastik wird die Nachfrage nach PCR in die Höhe schnellen und das Angebot vermutlich rasch übertreffen. Um das zukünftige Recycling-Angebot an die exponentiell steigende Nachfrage anzupassen, werden wahrscheinlich staatliche Anreize oder Zuschüsse erforderlich sein.

Die Reduktion von CO2-Emissionen wurde als klares Ziel der Agenda 2030 festgelegt, und die Umstellung auf recycelte Rohstoffe ist eine der vielen Maßnahmen, um dies zu erreichen. Andere Ansätze sind nachfüllbare und wiederverwendbare Verpackungsdesigns, der Einsatz erneuerbarer Ressourcen und die Einführung von Verfahren mit verbesserter Energieeffizienz. Letztendlich muss unser unternehmerisches Handeln darauf ausgerichtet sein, Mensch und Umwelt etwas Gutes zu tun. Zwischenzeitlich haben wir jedoch mit Bergen von Plastikmüll zu kämpfen, in denen Erde und Weltmeere zu ersticken drohen. Der Einsatz von PCR-Kunststoffen als Rohmaterial in Verbindung mit einer effizienten und umweltfreundlichen PCR-Wertschöpfungskette ist ein erster wichtiger Schritt auf dem langen Weg hin zu einer Verpackung mit positiver Ökobilanz.

Erstmals veröffentlicht in COSSMA 4/2023.

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